#freefortnite – Der Rechtsstreit Epic Games v. Apple

Oliver Belitz, Bird & Bird LLP Frankfurt

Der US-amerikanische Spieleentwickler Epic Games verdient sein Geld, wie die meisten Spieleentwickler im Jahr 2020, vor allem mit In-App-Verkäufen von digitalen Waren. Apple verlangt für jeden dieser In-App-Käufe, die über seinen App-Store abgewickelt werden, großzügig bemessene 30% Provision. Damit erwirtschaftet Apple im Jahr 2019 immerhin 18 % des gesamten Konzernumsatzes – Tendenz steigend.

Das Problem hierbei: Wenn ein Entwickler mit seinen Apps oder Spielen im mobilen Apple Ökosystem (iPhone, iPad & Co.) verfügbar sein möchte, führt kein Weg am offiziellen Apple App-Store vorbei. App-Stores von Drittanbietern duldet Apple aus naheliegenden Gründen nicht. Epic Games empfand dies als Schikane eines (Quasi-) Monopolisten und provozierte im Folgenden einen Rechtsstreit mit großer Tragweite. Dieser beschäftigt seitdem nicht nur diverse Gerichte und Kartellämter der Erde, sondern führte auch zu einer beispiellosen Lagerbildung bei Nutzern und anderen Technologieunternehmen.

Was bisher geschah

Epic Games suchte einen Weg die unliebsam hohe Provision zu vermeiden und zugleich die monopolartige Stellung von Apple öffentlichkeitswirksam juristisch zu hinterfragen. Zu diesem Zwecke baute Epic Games im August 2020 eine Möglichkeit in eines seiner erfolgreichsten mobilen Spiele (Fortnite) ein, In-App-Käufe zukünftig günstiger direkt bei Epic zu tätigen („cut the middleman“). Zuvor musste jeder In-App-Kauf zwangsläufig, gegen Entrichtung der 30% Provision, über den App-Store von Apple abgewickelt werden.

Dies stellte einen Vertragsbruch dar, denn dieses Vorgehen hatte Apple in seinen Nutzungsbedingungen ausdrücklich verboten. Apple reagierte innerhalb weniger Stunden und entfernte Fortnite – wie zu erwarten war – aus dem App-Store. Damit konnte Fortnite nicht mehr auf Apple Geräten heruntergeladen werden, bereits installierte Versionen erhielten keine Updates mehr. Doch damit nicht genug: Epic Games flankierte den gezielten Vertragsbruch mit einer Mobilisierung seiner Spielegemeinschaft gegen Apple. Dies geschah unter anderem mit der Veröffentlichung einer Persiflage eines ikonischen Apple Werbevideos aus dem Jahr 1984. Damals hatte Apple sich in Anspielung auf Orwell’s 1984 als Underdog im Kampf gegen den „Big Brother“ IBM inszeniert. Epic Games hatte in der eigenen Abwandlung die Rollen durchgetauscht: Nun ist Apple die etablierte Großmacht, die andere unterdrückt und die es zu bekämpfen gilt. Das Video endet mit der Einblendung des Hashtags #freefortnite, mit dem die weltweit 350 Millionen (!) Fortnite Spieler mittelbar aufgefordert werden, öffentlich ihren Frust über Apple auf Twitter und Instagram kundzutun – und den Tech-Giganten aus Cupertino somit moralisch wie wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Ein akribisch geplanter „shitstorm“ wurde heraufbeschworen.

Nur wenige Tage darauf holte Apple zum empfindlichen Gegenschlag aus und kündigte Epic Games‘ Zugänge zur Apple Entwicklungsplattform „aufgrund von Vertragsverstößen“. Die Ratio dahinter: Auf dieser Entwicklungsplattform entwickelt Epic Games sein zweites wirtschaftliches Standbein, die sog. Unreal Engine. Dabei handelte es sich um eine äußerst erfolgreiche Engine zur Entwicklung von Spielen, die Epic Games an große und kleine Entwickler weltweit verkauft. Ein fehlender Zugriff zu den Entwicklungstools bedeutet, dass Support und Weiterentwicklung der Unreal Engine faktisch unmöglich werden. Das wiederum führt zu weiteren Umsatzeinbrüchen bei Epic Games und trifft einen großen Teil der weltweiten Spielebranche als Kollateralschaden.

Das für das Eilverfahren zuständige Gericht in Kalifornien beschloss noch im August, dass die Kündigung der Entwicklerzugänge rechtswidrig war. Der Bann von Fortnite aus dem App-Store jedoch darf zunächst weiter bestehen. Ein besonderes Schutzbedürfnis von Epic Games hinsichtlich des Banns sei nicht gegeben, da Epic Games die Situation sehenden Auges provozierte und sich somit willentlich in eine Notsituation begeben hat. Diesen Beschluss konnte man durchaus als ein vorläufiges Remis ansehen.

Im September bestätigte sodann ein Urteil diesen Beschluss und den Parteien wurde zugleich ein Schiedsgerichtsverfahren nahegelegt. Diesen Vorschlag lehnten beide Parteien ab, sodass nun ein Gericht im Mai 2021 im Hauptsacheverfahren über die Sache entscheiden wird.

Der Druck auf Apple wächst

Apple geriet wegen dieser Praktiken nicht zum ersten Mal ins Visier. Bereits 2019 wurde Apple weltweit zum Subjekt zahlreicher kartellrechtlicher Untersuchungen. Im Juli 2019 leitete das US-amerikanische Justizministerium ein kartellrechtliches Untersuchungsverfahren gegen Amazon, Google, Apple und Facebook ein. Ebenfalls 2019 reichte Spotify bei der EU-Kommission Beschwerde gegen Apple ein, da Apple mit seiner 30% Provision den Wettbewerb verzerre und seine monopolartige Stellung missbrauche. Dieses Jahr bestätigte die EU-Kommission schließlich, dass sie nun eine Untersuchung gegen Apple wegen der Praktiken im Apple App-Store eingeleitet hat. Hintergrund der Untersuchung sind Art. 101 und 102 AEUV, wonach die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung untersagt ist. Auch der Präsident des deutschen Bundeskartellamtes verfolgt den aktuellen Rechtsstreit und hat bereits Untersuchungen der App-Stores von Google und Apple angekündigt. Erst kürzlich leitete das Bundeskartellamt auch Untersuchungen gegen Amazon wegen angeblich illegaler Absprachen mit Apple ein. Man könnte den Eindruck gewinnen, das Eis für Apples‘ einst üppige Provisionen wird dünn.

Auch Epic Games ist nicht untätig geblieben: Im September 2020 schlossen sich unter anderem Spotify, Deezer, die Match Group (ein großer Betreiber zahlreicher Internetplattformen) und Epic Games zur sog. „Koalition für App-Fairness“ zusammen. Offen erklärtes Ziel der Koalition ist es die 30% Provision zu Fall zu bringen. Es ist schwer zu verkennen, wie Epic Games inzwischen einen regelrechten branchenweiten Kreuzzug gegen Apple mobilisiert.

Ausblick

Schon vor dem Rechtstreit mit Epic Games war Apples Geschäftsgebaren im Zusammenhang mit dem eigenen App-Store teilweise Gegenstand kartellrechtlicher Untersuchungen. Durch den Rechtsstreit scheint diese Dynamik aber deutlich an Fahrt aufgenommen zu haben. Jedenfalls ist die Thematik jetzt auch in den Medien präsenter denn je.

Sollte Epic Games mit seinem Verfahren Erfolg haben, stellt sich die Frage, warum ein provozierter Vertragsbruch eines Unternehmens notwendig war um die Provision zu kippen. Anders gewendet: Warum haben die Aufsichtsbehörden nicht schon viel früher eingegriffen? Diskussionswürdig ist ferner, ob die bei mobilen App Plattformen gewachsenen Mächteverhältnisse nicht generell eine weitaus stärkere kartellrechtliche Aufsicht erforderlich machen.

Gerade im Hinblick auf die geplante 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) kann dieser Streit auch in Deutschland äußerste Relevanz erlangen. Die Novelle adressiert primär sog. „Intermediationsmächte“ und große Tech-Konzerne – und somit auch Apple. Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber darin auch zu Provisionen in App-Stores Stellung bezieht. Falls ja, so dürfte wohl Epic Games‘ Rebellion dafür den Anstoß gegeben haben.

To the top